Liebe Vereinsmitglieder, liebe Interessenten unserer Arbeit,
die Corona-Krise hat das Leben vieler und der gesamten Gesellschaft sehr verändert. Wir sind auf uns selbst und unsere Beziehungen zurückgeworfen und bei fast allen Menschen haben die persönlichen Beziehungen eine neue Wertschätzung und Bedeutung erfahren. Das heißt auch, Beziehungskulturen zu entwickeln und zu reflektieren, ist wichtiger denn je.
Diesem Anliegen hat sich die Hans-Joachim Maaz Stiftung – Beziehungskultur besonders verpflichtet.
Der Vorstand des Fördervereins ist sehr betroffen über die Auswirkungen dieser Krise, da wir täglich mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen beratend und therapeutisch arbeiten. Dabei erleben wir, in welchen Schwierigkeiten viele Menschen und Familien nach 1 ½ Jahren Corona-Maßnahmen stecken. Ganz besonders im Blick haben wir die Kinder und Jugendlichen, die in ihren Entwicklungsschritten ausgebremst wurden, weil das und bis dahin vertraute Leben solange nicht möglich war und absehbar sicherlich auch nicht möglich sein wird, führt man sich allein die Hygienekonzepte der Kitas, Schulen und Hochschulen vor Augen. Die Angst, sich irgendwie „falsch“ zu verhalten, ist für viele bereits ein ständiger Begleiter. Zum Beispiel bei den Kleinkindern kann man beobachten, wenn sie im Außenbereich ihrer Kitas mit Flatterbändern voneinander getrennt sind und lieber kleinere Kreise ziehen als große. Überträgt man diese sich wiederholende und prägende Erfahrung auf die zukünftige Entwicklung, werden die Kinder möglicherweise in der Vor-Sicht aufwachsen und weniger im lebendigen Ausdruck.
Wir finden Besorgnis erregend, wie die Zahl der Inanspruchnahme von Psychologischen Beratungsstellen und von ambulanter und stationärer Psychotherapie/Psychiatrie im Vergleich zu 2019 gestiegen ist. Lt. DPtV-Umfrage vom Februar 2021 sind Patientenanfragen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 40% gestiegen (Report Psychotherapie, Kiel 2021).
Häufig wird erst professionelle Hilfe gesucht, wenn Kinder und Jugendliche ihre seelische Not über destruktives Verhalten und vielgestaltige körperliche und seelische Auffälligkeiten zum Ausdruck bringen. Die drastische Zunahme von Essstörungen, der Anstieg von Schulverweigerung, Schwierigkeiten, schulische Anforderungen zu bewältigen und Versetzungsgefährdung seien an dieser Stelle nur beispielhaft genannt. Eine repräsentative Untersuchung hat ergeben, dass für 58% der Schülerinnen und Schüler der Klassen 5-10 die Lebenszufriedenheit im Vergleich zur „Zeit vor Corona“ gesunken ist (DAK Präventionsradar Kiel 2021).
Bei jungen Erwachsenen wird es vermehrt zu Abbrüchen von Studium bzw. Lehre kommen. Z.Z. werden Abschlüsse noch „verschoben“, da die Corona-Krise Freisemester ermöglicht (Corona-Verlängerung der Regelstudienzeit).
Die sozialen Hilfesysteme sind überlastet, geschweige denn, dass derzeit präventiv gearbeitet werden könnte. Darüber hinaus gibt es noch viel unsichtbare Not. Die durch Corona-Maßnahmen über lange Zeit veränderte und eingeschränkte Alltags- und Lebensgestaltung führt in vielen Familien zu Überforderung, Isolation, Zuspitzung von Konflikten bis hin zu schweren Krisen und gewaltsamer Eskalation.
In diesen Zusammenhängen ist unsere Elternarbeit ein besonders wichtiges Angebot. Die Elternworkshops unterstützen Mütter und Väter, angestaute Belastungen und Überforderungen bei sich selbst und ihren Kindern zu erkennen, zu verstehen, nach Möglichkeit zu verarbeiten und Bewältigungsstrategien zu finden. Erfahrungsgemäß kann damit eine wesentliche emotionale Entlastung der Familien einhergehen. Die zwischenmenschliche Solidarität in Gruppen ist dabei ein wichtiger Faktor für gemeinschaftliches Verständnis und gegenseitige Unterstützung.
Wir brauchen in der gesellschaftlichen Krise dringend den Austausch unterschiedlicher Erfahrungswelten ohne die Bewertung anderer Positionen.
Hans-Joachim Maaz hat den Begriff der „innerseelischen Demokratie“ geprägt. Dieser bedeutet, dass jeder Mensch neben den sogenannten positiven Emotionen und Bestrebungen wie Empathie, Freundlichkeit, Liebe und Verständnis auch die sogenannten negativen Gefühle wie Wut, Hass und Neid in sich trägt. Das Anerkennen dieser unterschiedlichen Gefühlslagen und eine Auseinandersetzung damit fördern ein gutes Selbstverständnis und sind die Basis für Toleranz und Wertschätzung in zwischenmenschlichen Beziehungen.
In diesem Sinne ist das Anliegen unserer Elternworkshops, bei Müttern und Vätern den authentischen und angemessenen Umgang mit sich selbst, der Partnerin bzw. dem Partner und den Kindern zu verbessern, um ein entwicklungsförderndes, wohlwollendes Beziehungsangebot zu ermöglichen.
An dieser Stelle sei auf das 6. Jahrestreffen des Fördervereins am 23.10.21 in Leipzig hingewiesen, zu dem wir Mitglieder des Fördervereins und Gäste herzlich zum Austausch einladen.
Vorstand des Fördervereins der Hans-Joachim Maaz – Stiftung Beziehungskultur
im August 2021